Dienstag, 17. Februar 2015


alltagsarmut.


situation 1)

kürzlich saß ich -auf eine gemütlich warme, 1stündige fahrt eingestellt- im zug und sah -wie immer- aus dem fenster, bis mich plötzlich der schaffner -durchaus sanft- aus meinen träumen riss. artig lächelnd gab ich ihm meine fahrkarte, was er mir mit einem "schön, dass sie mitfahren" und einem -dem meinen ähnlichen- grinsen quittierte. noch überrascht von solch einer -selten erlebten- herzlichkeit, sah ich ihm hinterher und beobachtete, wie er zu einer -an der vorherigen station eingestiegenen- jungen frau ging, um sie gleich darauf -ebenso freundlich- nach ihrem ticket zu fragen.

da saß ich nun, lächelte bei -immernoch vor überraschung triefenden- gedanken dümmlich in der gegend herum und wurde urplötzlich -dieses mal reichlich unsaft- erneut aus meinen tagträumereien förmlich heraus katapultiert.

besagte frau machte (lautstark) einem ärger luft,dessen sich steigernde intensität wunderbar an ihrem -immer röter werdenden- gesicht ablesbar war.
(das bild einer dampflock drängte sich unweigerlich in mein bewusstsein.)

die situation war folgende:
wie ich schon erwähnte, war die gute eine station vorher eingestiegen. wir verließen diese und fuhren gerade am ortseingangsschild "altenburg" vorbei, als der schaffner sich der dame näherte. im weiteren verlauf des gespräches wurde deutlich, dass ihre fahrkarte NUR für altenburg galt-jedoch aber offensichtlich war, dass sie bereits in leipzig den zug betreten hatte.
kurz: sie musste blechen.

irgendwie gelang es dem schaffner -meinem persönlichen held- sogar, selbst diese -durchaus unangenehme- tatsache -einer liebeserklärung gleich- zu übermitteln, aber offenbar wurde seine liebe nicht erwiedert. statt sich der ausweglosen situation zu fügen und ihre (oder falsche) daten auf den protokollbogen zu schreiben, schien frau x. die -sich ergebende- chance zu nutzen, sich all ihrem frust, ihrer unzufriedenheit und ihrem -gott gegebenen- beschissenen charakter zu entledigen. sie spie gift und galle auf den armen schaffner, der sein lächeln offenbar tapfer an seine ohren getackert hatte. als sie ihn dann schließlich als "rassisten" betitelte, wurde es nicht nur ihm, sondern auch mir zu viel. mir entfuhr ein -viel zu lautes- "MAAAAAAAAAAAN", das mir rampenlicht, blicke und aufmerksamkeit sicherte und dem schaffner sein -kürzlich verlorenes lächeln- zurück gab.

gefühlte unendliche minuten später drängte sich allerdings miss wichtig erneut mit weiteren,sinnlosen beleidigungen in den mittelpunkt, sodass ich zwar kurz erleichtert aufatmete, um gleich darauf allerdings -dezent angenervt- in die schützende dröhnung meiner kopfhörer zu flüchten.

...

situation 2)

montag morgen. ich bin nicht sonderlich prickelnd gelaunt und -natürlich mal wieder zu spät- auf dem weg zur arbeit, als meine straßenbahn -unvorhersehbar- abbremst, um dann schließlich mit blinkendem warnlicht endgültig stehen zu bleiben. kurz darauf folgt die (monotone) ansage des fahrers, dass wir "aufgrund technischer defekte an der weiterfahrt gehindert werden"-die türen gehen auf (ein echter rausschmiss!) und massen stürmen auf die arschglatten straßen.

was ich nun sehe, lässt mich stehen bleiben und mit offenem mund auf die straße vor mir starren-unsicher ob ich lachen oder weinen soll. bereits bei dem -überaus hektischen- versuch inmitten von ca. 50 anderen, die straße zu überqueren, haben sich 3 erstmal den boden aus der nähe angeschaut und werden von den übrigen -zur nächsten haltestelle hastenden- menschen einfach überstiegen. dort auf der erde liegend können sie allerdings sogar noch froh sein, denn so bleibt ihnen der nun folgende -an hysterie grenzende- wahnsinn wenigstens erspart.

als ob es darum ginge gegen dieses "miep-miep-vieh" aus der "bugs bunny-show" im wettlauf anzutreten, preschen die restlichen 47 -ohne rücksicht auf verluste- alle -tretend und schubsenderweise- in die selbe richtung (früher gab es einen solchen ausnahmezustand bei uns maximal in zusammenhang mit bananen).

als es neben mir -kaum hörbar- grunzt, stelle ich fest, dass ich nicht die einzige bin, die sich urplötzlich nicht mehr von der stelle bewegen konnte- allerdings hatte sich der mann neben mir bereits für lachen-statt weinen- entschieden.
ich schließe mich an.

nachdem wir uns beruhigt hatten -und die massen längst weg waren-, machten wir uns ebenfalls -äußerst gemütlich plaudernd- auf den weg zur nächsten haltestelle, um dort zeitgleich mit der nächsten straßenbahn anzukommen, einzusteigen und den -inzwischen wieder 50- leuten dabei zuzusehen, wie sie sich einen verbitterten kampf um die sitzplätze liefern.

...

situation 3)

vor ein paar wochen traf ich mich regelmäßig mit einer bekannten, die mich jeden morgen an der gleichen stelle abholte, um mich anschließend auf ihrem weg zur arbeit an der schule abzusetzen, an der ich arbeite.
also stand ich an besagtem ort und wartete -gewöhnlich 10/15 minuten- auf das erscheinen meiner bekannten und beobachtete jeden morgen aufs neue die -immer wieder gleichen- personen. zu jenen gehörte -unter anderem- eine mutter, die ihr kind (vermutlich) zur bushaltestelle brachte.

ich sah sie nie kommen- hörte aber jedes mal ihre -durchaus herbe, kratzige- raucherstimme, die mit hilfe einer ohrenbetäubenden -aus einem sich stets wiederholenden satz bestehenden- mecker-tirade (die dem kind galt), ihr erscheinen ankündigte........
..... dann erst sah ich sie.
eine frau, deren jahrelanger nikotinmissbrauch es sich offensichtlich zur aufgabe gemacht hatte, ihre haut wie einen alten,rissigen wischmopp aussehen zu lassen, was dazu führte, dass ich sie auf eine gute 60 schätzte, die sie mit sicherheit noch nicht war. sie trug -neben einigen kilos zu viel auf den rippen- fellbesetzte schuhe, die man netterweise auch als hausschuhe betiteln hätte können und einen langen -sich wellenden- umhang mit leopardenmuster, der auch gut und gern als decke durchgegangen wäre. den krönenden abschluss bildeten ihre halb blond/halb rot- gefärbten haare -in kombination mit einem tiefen schwarzen ansatz.

kurz: sie war im wahrsten (oder auch ironischsten) sinne des wortes eine "offenbahrung".

worauf ich eigentlich hinaus will, ist die art und weise der kommunikation (bzw. nicht-kommunikation), die diese frau -ihrem kind gegenüber- an den tag legte. der einzige satz, den sie bereit war zu ihrer (zuneigung- und mitteilungsbedürftigen) tochter zu sagen, war folgender: "isch weeeeeeiß nisch, watte von mir willst, verdammisch nochä moal".
noch einige zeit später hatte ich den -immer gleichen- traurigen blick des mädchens im kopf, der reaktiv auf die wortarmut der mutter folgte.



... to be continued. (leider!)